Schmutz schenkt Schutz: Ein Plädoyer für die Kinderbauernhöfe
Macht nicht nur sauber, sondern rein!“, heißt ein bekannter Werbeslogan eines Reinigungsmittels. Viele Menschen entwickeln Zuhause leider einen fast hysterischen Reinigungs- und Putzfimmel, und das Zuhause gleicht schnell mehr einem Hygiene- Institut als einem gemütlichen Heim. Für die Entwicklung eines gesunden Immunsystems von Kindern ist diese Vorgehensweise auch nicht förderlich.
Von Alexandra Pfitzmann
Die meisten von Ihnen, liebe Leser, können es vermutlich nicht mehr hören: den Hinweis auf Viren und Bakterien und die damit verbundenen Gefahren für unsere Gesundheit. Desinfektionsmittel, Mundschutz und die Distanzierung von unseren Mitmenschen haben uns alle die letzten zwei Jahre begleitet. Lassen Sie uns aber hier unbedingt unterscheiden – ein im Zweifelsfall Tod bringendes Virus ist etwas anderes als Bakterien, die steter Begleiter unseres Lebens sind. Bakterien sind sogar sehr wichtig, auch für die Kinder.
Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten … Sie alle gehören zu Erregern, die beim Menschen theoretisch Krankheiten auslösen können. Bakterien, Parasiten und Pilze sind Mikroorganismen, die in der Natur weit verbreitet sind. Wir kennen sie z.B. als Milchsäurebakterien, Hefepilze oder auch als Flöhe.
Bakterien haben wichtige Aufgaben. Sie leben auf unserer Haut oder in unserem Darm und bilden ein natürliches Schutzschild gegen Krankheitserreger. Ca. 10 Billionen (!) Mikroorganismen lassen sich bei einem Menschen finden. Krankheiten möchten wir natürlich nicht in unserer Umgebung haben, schon gar nicht für unsere Kinder. Diese können schließlich einen großen Schaden anrichten. Hier kommt unser Immunsystem ins Spiel. Dieses ist darauf trainiert, potenzielle Gefahren abzuwehren und uns zum Beispiel vor gefährlichen Keimen zu schützen. Kniffelig ist das schon, denn schließlich darf die Abwehr sich nicht gegen die eigenen, gesunden und lebenswichtigen Zellen richten. Wir bemerken eine solche „Bekämpfungsaktion“ unseres Immunsystems zum Beispiel dann, wenn wir eine Entzündung haben. Hier versucht unser Immunsystem schädliche Stoffe aus dem Körper herauszutreiben.
Auch Schleimhäute übernehmen eine wichtige Funktion, wenn es darum geht, schädliche Keime und Bakterien aus dem Körper heraus zu transportieren. Eltern bemerken dies etwa während der Zeit der Kita. Da Kind kommt dauernd mit einem neuen Schnupfen nach Hause … Gut so! Hier wird das Immunsystem trainiert!
Angeborene und adaptive Immunabwehr.
In der Regel ist das Immunsystem neugeborener Kinder intakt und in der Lage, fremde Stoffe zu erkennen und sie anzugreifen. Dieser angeborene Mechanismus funktioniert im Normalfall ein ganzes Leben lang. Was die antrainierte Immunabwehr betrifft, so findet hier ein Lernprozess statt. Keime und andere „Eindringlinge“ müssen als solche zunächst eingestuft werden. Gelernt wird hier auf zweierlei Wegen – einmal durch überstandene Infektionen oder durch Impfungen, durch die mögliche Erkrankungen auch im späteren Leben dann symptomfrei oder eben milder verlaufen.
Kinder mit gesundem Immunsystem sollen unbedingt im Dreck spielen!
Während des Spielens im „Dreck“, wenn man Erde, Lehm oder Stroh so nennen möchte, nimmt das Kind zahlreiche Bakterien auf, und der Körper muss sich damit auseinandersetzen. Das kann man sich wie Schulunterricht fürs Immunsystem vorstellen. Es daher auch unnötig, z.B. Spielzeug Zuhause permanent zu desinfizieren. Man sollte Oberflächen Zuhause auch nicht permanent sterilisieren. Damit fördert man lediglich hypersensitive Immunsysteme, die eigenständig keine Abwehrmechanismen mehr in Gang setzen können. Wenn Ihr Kind also mit den Händen die Umwelt erkundet, ist es ganz normal, dass hier auch Dinge vom Boden (auch draußen) in den Mund genommen werden. Da muss niemand in Panik verfallen. Aufpassen sollte man nur, wenn es etwa um herumliegenden Kot, Müll, Zigarettenstummel oder Ähnliches geht. Hier ist selbstverständlich Vorsicht geboten.
Besuchen Sie einen Kinderbauernhof!
Ab an die frische Luft! Klar – die wenigsten von uns sind auf einem Bauernhof groß geworden. Aber – Sie haben die Chance, Bauernhöfe zu besuchen! Mensch- Umwelt-Tier e.V. fördert und unterstützt Kinderbauernhöfe seit gut 20 Jahren. Und gerade in einer Großstadt wie Berlin zum Beispiel ist der Duft von Heu und Stroh eher rar gesät. Natürlich, im wunderschönen Umland findet man vor den Toren der Stadt reichlich Erholungs- und Naturschutzgebiete. Aber hier kommt man oft nicht so schnell hin, bzw. ein Besuch lässt sich oft nicht in den Alltag integrieren. Umso schöner ist es daher, dass es einige Einrichtungen gibt, die mitten in der Stadt liegen.