Mehr als nur eine Hundepfote
Oonagh war schon im Schulunterricht und hat einen Kindergarten besucht. In unserem Verein in Wolfenbüttel nimmt sie am „Kind mit Hund Ferienprogramm“ teil. Das ist für Kinder gedacht, die noch keinen eigenen Hund besitzen und so den Umgang mit Hunden erlernen können. Maila, meine schwarze Schäfer- hündin, gehört seit zwei Jahren zu un- serem Rudel. Auch sie ist von Anfang an dabei, wenn es heißt, „Bettina be- suchen“. Bettina ist die Patientin auf dem Foto auf der nächsten Seite. Am liebsten liegen die Beiden gerne auch zu zweit im Bett bei Bettina, und es werden Leckerli unter die Hände oder an den Hals gelegt. Bilder sagen oft mehr als Worte... Auf diesen Bildern ist auf den ersten Blick nichts Besonderes zu erkennen. Eine Hand, eine Hundepfote, viel- leicht eine Person liegend im Bett... Für den betroffenen Menschen ist es viel mehr. Es ist nicht nur eine Hand und eine Hundepfote; es ist ein Zeit- fenster, das Freude bringt; eine Zeit, die den Alltag verschönert. Bettina J. ist 54 Jahre jung und seit 14 Jahren an ALS (amyotrophe Lateralsklerose) erkrankt – gefangen im eigenen Körper ohne jede Möglichkeit, sich eigenständig zu bewegen bei einem voll selbstbestimmten Leben. Sie wird seit zwölf Jahren voll beatmet. Ihr Mann ist am Anfang des Krankheitsausbruches an Krebs verstorben. Da waren die Kinder gerade mal eingeschult. Oonagh und ich besuchen Bettina seit vier Jahren. Um den Körperkontakt intensiv zu spüren, besucht Oonagh Bettina im Bett. Oonagh liegt die Therapiezeit über auf Bettina drauf, auf eigenen Wunsch. An guten Tagen sind das 28 kg ganz in weiß. Die Einsätze verlaufen immer unterschiedlich und sind natürlich auch immer abhängig von der Tagesverfassung. Bei Bettina stehe ich mit ihrer Pflegekraft zusammen am Bett, und die bei- den kommunizieren nach den Buch- staben/ Telefonziffern, in Reihen des Telefons. 1, 2, 3, Reihe ... Bettina blinzelt mit den Augen bei den richtigen Buchstaben, und so ergeben sich Wörter und Sätze. Ich kann das nicht bzw. nicht so schnell. Und es ist auch schwer, gleichzeitig dem Hund Leckerli anzubieten, 100% Blickkontakt zu halten und zu kommunizieren, Buchstaben zu Sätzen zu formulieren, da brauche ich schon Hilfe. Das gibt der Therapie noch ein anderes Level.
Was für Bettina der Besuch von der Therapiehündin Oonagh bedeutet „Ich freue mich immer sehr, wenn die Therapiehündin Oonagh zum Kuscheln auf mein Bett kommt. Ich kann ihr weiches Fell streicheln, und sie leckt meine Hände. Oonagh hat keine Berührungsängste. Tieren ist es nämlich egal, ob man behindert ist. Wenn sie auf mir liegt, entspanne ich total. Wenn Oonagh weg ist, geht es mir viel besser. Ich habe Kraft getankt, und meine Stimmung ist super. Ich freue mich dann schon auf das nächs- te Mal. Liebe Grüße Bettina J.“ Wenn ich in der Wohngruppe mit maximal zwei Patienten arbeite, begleiten mich meine beiden Hunde ab- wechselnd. Bei der Palliativversor- gung liegt Oonagh mit im Zimmer oder am und im Bett. Wenn möglich, wird sie auch nur von den Patienten beobachtet. Eine schöne Geschichte dazu: Wir hatten mal eine Palliativpatientin, die selbst einmal einen Schäferhund besaß. Greif hieß er. Viele schöne Geschichten hat sie mir von ihm erzählt. Als sie Oonagh gesehen hat, bedankte sie sich bei mir, da sie nicht wusste, dass es auch weiße Schäferhunde gibt. Sie hat sich sehr gefreut, dass sie noch einen kennenlernen durfte. Die letzte Phase ihres Lebens war sie einfach nur glücklich, wenn sie Oonagh durch die Tür beo- bachten konnte. Maila macht dieses Jahr im Sommer die Ausbildung zum Therapiehund bei „Mensch und Tier – Verein der tiergestützten Therapie e.V.“. Wir freuen uns schon sehr auf diese Zeit und die vielen neuen Erfahrungen, die wir machen werden.