Drei Küken auf dem Schornsteinnest

In Berlin gibt es an drei Standorten Horste, die der Weißstorch derzeit aktiv nutzt, zwei davon liegen in Lichtenberg und einer in Pankow. Auf dem Naturhof Malchow landete am 26. März 2024 ein Storchenmännchen auf dem Nest des Schornsteins der ehemaligen Gärtnerei. Am 30. März 2024 gesellte sich ein Weibchen dazu. Beide Störche trugen keinen Ring, wir können demnach nicht sagen, ob sie schon einmal bei uns waren. Das Paar bebrütete die Eier abwechselnd vier Wochen lang.

Von Doreen Hantuschke

Die im März 2024 geborenen Störche sind flügge. Fotos: © Naturhof Malchow

Trotz der relativ frühen Ankunft beider Altvögel Ende März und lautstarkem Geklapper im April, konnten die Mitarbeiter von Naturschutz Berlin- Malchow e.V. erst Ende Mai den geschlüpften Nachwuchs bestätigen. Drei Jungvögel wuchsen rasch heran: Aus Daunen wurden Federn, aus kleinen Küken größere. Schon nach sieben Wochen haben die Jungstörche die Körpergröße der Alttiere erreicht. Dass sie im Übergang zum Erwachsenenalter sind, erkennt man an ihren braun-orange gefärbten Schnäbeln und Beinen.

Anfang Juni wurden die Jungvögel auf dem Naturhof beringt. Die Ringe stammen von der Beringungszentrale auf Hiddensee. Die erfassten Daten werden dort gesammelt und jährlich wissenschaftlich ausgewertet. Diese Forschungsarbeit stellt eine wichtige Grundlage der Erforschung des Vogelzuges dar, auch hinsichtlich klimatischer Veränderungen. Ab Ende Juni nutzten die Jungstörche jede Gelegenheit zum Trainieren der Flugmuskulatur. Fleißig wurden die Flügel ausgebreitet. Bei drei nicht mehr ganz kleinen Vögeln wurde es so auch schon mal eng im Storchenhorst. Mitte Juli war es dann soweit: Die drei Jungstörche verließen das Nest für das erste gemeinsame Flugerlebnis. Nun begann die Zeit der gemeinsamen Futtersuche mit den Altstörchen. Die Abende und Nächte bis zum Abflug der Jungtiere wurden aber weiterhin im schützenden Nest verbracht.

Bedauerlicherweise verunglückte am 24. Juli 2024 ein Jungstorch bei seinen morgendlichen Flugübungen tödlich. Mitte August haben sich die Jungstörche, früher als die Alttiere, auf dem Weg in die Winterquartiere gemacht. Sie fliegen die Ostroute entlang, über den Bosporus zur arabischen Mittelmeerküste. Von dort geht es weiter nach Ost- oder sogar Südafrika. Sie finden den Weg, obwohl sie ihn niemals vorher geflogen sind! Die Zugrichtung und der zeitliche Ablauf sind bei jeder Vogelart genetisch festgeschrieben. Die Altstörche bleiben nach dem Abflug der Jungstörche noch zwei bis drei Wochen in den Brutgebieten. Nach den anstrengenden Wochen der Jungenaufzucht füllen sie ihre eigenen Energiespeicher wieder auf. Anfang September sind auch sie Richtung Süden geflogen. Die Aufzucht der Jungstörche ist für die Alttiere jedes Jahr eine Herausforderung. Ein entscheidender Faktor ist das Nahrungsangebot in der unmittelbaren Umgebung. Störche finden ein besonders passendes Nahrungsangebot auf Wiesen und Äckern, die einen mäßig hohen Bewuchs haben. Die Umgebungen der in Berlin regelmäßig besetzten Nester besitzen einen dörflichen Charakter. Mit der Lage am Stadtrand ergibt sich die Grundlage für die Nahrungssuche, das sind weitläufige Freiflächen, die sich bis ins angrenzende Brandenburg erstrecken. Immer stärker geraten diese Freiflächen in den Fokus anderer Nutzungszwecke wie Wohnbebauung, Straßenplanungen oder Windkraftanlagen. So fallen diese wertgebenden Nahrungsflächen für den Weißstorch weg und machen die Umgebung unattraktiv für die Wahl als Nistplatz.

Mittlerweile haben alle Störche den Naturhof verlassen und sind gen Süden geflogen.