Herdenzuwachs beim Pferdeprojekt: Pepe zieht ein!

In der letzten Ausgabe des M.U.Tmachers haben wir euch das Pferd Pepe vorgestellt. Pepe lebt auch schon seit vielen Jahren auf dem Kinderbauernhof Ilse Reichel in Großziethen (Berlin Schönefeld), bislang allerdings nicht auf einem gemeinsamen Paddock mit den Pferden des Pferdeprojekts. Ende April ist er nun bei Kali, Kembali, Murphy und Bannio „eingezogen“.

Von Yoni Musialik

Happy End: Schon an Tag 5 dürfen auch Bannio und Murphy ganz entspannt am großen Ballen mit fressen.

Wenn ein neues Pferd in eine bestehende Herde hinzukommt, ist das immer mit viel Aufregung für Pferd und Mensch verbunden. Denn wenn es gut läuft, ist eine Herde ein eingespieltes Team – die Rollen sind klar verteilt, und jedes Pferd kennt seinen Platz. In unserer kleinen Herde war Murphy der Chef. Nicht nur in freier Wildbahn, sondern auch in menschlicher Obhut braucht jede Herde ein Leitpferd, welches den anderen Herdenmitgliedern Orientierung gibt. Anders als in einer natürlich gewachsenen, wilden Herde gibt es in einer von Menschenhand zusammen gestellten Herde nicht immer ein Pferd, das über die Kompetenzen, die ein Leitpferd braucht, verfügt. Und so trifft diese Rolle manchmal notgedrungen ein Pferd, das sich in dieser Rolle nicht besonders wohl fühlt. So erging es Murphy. Die beiden Stuten Kali und Kembali sind ja schon älter und daher „außer Konkurrenz“ für diese Führungsrolle. Bannio war in unseren verschiedenen Herdenkonstellationen schon immer ganz unten in der Rangfolge, er fühlt sich wohl und sicher in dieser Position und hat niemals Ambitionen gezeigt, eine höhere Position einzunehmen.

Das Zebramuster auf Pferdedecken hindert stechende Insekten daran, auf dem Pferd zu landen. Foto: © Alexandra Pfitzmann


Vielleicht haben Sie sich gefragt, warum wir Pepe als Zebra verkleidet haben? Die Decke, die er trägt, dient als Schutz, weil Pepe allergisch auf die Stiche von Kriebelmücken reagiert. Das Zebramuster hat dabei weniger modische Gründe, viel mehr hat man sich bei den „echten“ Zebras abgeschaut, dass das Muster desorientierend auf Fliegen und Mücken wirkt, und dafür sorgt, dass sie erst gar nicht auf dem Tier landen.

Wenn ein neues Pferd hinzukommt, werden die Karten ganz neu gemischt.

Bei der Eingliederung von Pepe in die Herde hatten wir den Vorteil, dass die Pferde sich schon etwas kannten. Sie haben ja schon gemeinsam in den Therapiestunden gearbeitet, haben Zaun an Zaun auf der Weide gestanden und sich beim Freilaufen in der Reithalle auch schon näher beschnuppern können. Dennoch musste die Zusammenführung nach und nach erfolgen, um größere Rangkämpfe, die bei Pferden durchaus blutig ausgehen können, zu vermeiden. Zuerst einmal mussten Kali, Kembali, Murphy und Bannio den Neuen, Pepe, auf ihrem Paddock, also in ihrem Revier, akzeptieren. Und auch Pepe musste sich daran gewöhnen, jetzt ein paar hundert Meter weiter mit anderen Pferden zusammen zu stehen. Daher haben wir zunächst auf dem Paddock einen Bereich für Pepe abgezäunt. Nachdem dies für etwa eine Woche friedlich geblieben ist, haben wir alle fünf Pferde zusammen auf die Weide gelassen. Dort haben sie mehr Platz, um sich aus dem Weg zu gehen und auszuweichen, wenn es zu Rangkämpfen kommen sollte. Auch das ist schon am ersten Tag sehr friedlich abgelaufen – es war der erste Tag nach der winterlichen Weidepause, und alle fünf haben sich mehr für das frische Gras als für Rangkämpfe interessiert.

Pepe in seinem abgezäunten Bereich. Vorsichtig wird der Neuankömmling beschnuppert.

Die große Futterstelle hat Pepe also sofort für sich beansprucht und die anderen vier verscheucht.

So haben wir noch am gleichen Tag den entscheidenden Schritt gewagt und alle fünf Pferde auch auf dem Paddock zusammen gelassen. Hier hat sich dann sofort gezeigt, dass Pepe im Gegensatz zu Murphy, der diese Rolle eher aus der Not heraus übernommen hat, ein natürliches Leitpferd ist. Obwohl er der „Neue“ war, hat er sofort die Hauptfutterquelle für sich beansprucht und die anderen vier haben das fast widerstandslos akzeptiert.

Für uns Menschen sieht das schlimm aus, bei vielen schleicht sich sicherlich Mitleid für das vermeintlich „ausgegrenzte“ Tier ein. Im Pferdeleben ist das jedoch völlig normales und arttypisches Verhalten. Als Herdentiere suchen sie nach einer Führung, die klar kommuniziert, denn ein souveränes Leitpferd bedeutet Sicherheit. Und wenn die Rollenverteilung erst einmal klar und etwas gefestigt ist, können auch alle wieder friedlich nebeneinander fressen. Bis dahin ist es aber besonders wichtig, dass wir den Pferden mehrere Futterund Wasserstellen bieten. Nur so kann man sicherstellen, dass auch das rangniedrigste Pferd in Ruhe fressen und trinken kann.

So ähnlich, wie Pepe es getan hat, sollten übrigens auch wir Menschen uns im Umgang mit Pferden verhalten. Damit ein Pferd Vertrauen zu einem Mensch aufbaut und ihm auch in heiklen Situationen folgt, muss geklärt sein, dass der Mensch der Chef oder die Chefin ist. Das kann nur durch klare Kommunikation und verlässliches, für das Pferd verständliches Verhalten erfolgen. Wenn die Rollen klar und gefestigt sind, sind dann auch mal freundschaftliche Krauleinheiten erlaubt.

Pepe avancierte zum neuen Leittier.

Die „Pferdesprache“ verdeutlicht, wer der Chef ist.

Nach und nach durften Kali und Kembali sich immer näher heranschleichen und schon am nächsten Tag mit Pepe gemeinsam an dem großen Heuballen fressen. Die beiden alten Stuten hat Pepe offenbar nicht als Konkurrenz für die Führungsrolle wahrgenommen. Bannio und Murphy mussten sich aber erst einmal auf ihre Plätze verweisen lassen und haben, nachdem Pepe ihnen mit klaren Gesten auf „Pferdesprache“ unmissverständlich klar gemacht hat, wer der neue Boss ist, das Geschehen lieber erstmal aus sicherer Entfernung beobachtet. Und auch dies ist in der Pferdesprache eine Botschaft: Wir akzeptieren dich als Chef, wir möchten keine Konfrontation und nicht um den Posten kämpfen.

Für uns Menschen ist in dieser Zeit wichtig zu beachten, dass wir die Kommunikation der Pferde nicht stören.

Auf der Weide gibt es wichtigeres zu tun, als die Rangfolge zu klären.

Wenn wir ein rangniedriges Pferd über den Paddock führen, müssen wir ihm ermöglichen, den Abstand zum ranghöheren Pferd einzuhalten und es nicht in die Konfrontation zwingen, in dem wir zu nah an ihm vorbei gehen. Wenn das ranghohe Pferd z.B. am Tor im Weg steht, müssen wir Menschen es verscheuchen und dies nicht dem rangniedrigen Pferd überlassen, sonst provozieren wir wohlmöglich ein Gerangel. Pepe ist zum Glück ein sehr souveräner Chef, der schon am zweiten Tag auch Bannio und Murphy erlaubt hat, an dem großen Ballen zu fressen, zumindest wenn er gerade satt war. Wiederum drei Tage später haben dann schon alle fünf ganz friedlich nebeneinander am großen Ballen gefressen. Die Herde hat sich neu gefunden, und Murphy hat dankbar seine ungeliebte Rolle als Herdenchef an Pepe weiter gegeben!

Förderverein Mensch und Tier e.V.
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